Lizum: Starke zivile Seite


 

LIZUM "Modell für ein Miteinander"
Kommentar  Tiroler Tageszeitung  
9. Febr. 2020

Abseits der Debatte ums Militär: Warum die Lizum im Wattental auch eine starke und lebendige zivile Seite hat.  

"Die Lizum im Wattental, Tirols zweitgrößtes Almgebiet, hat neben der militärischen eine sehr lebendige, starke zivile Seite: Die Lizum in den TuXer Alpen steht für naturnahe Land-, Forst-, Almwirtschaft mit Käsereien und explizit für „sanften Tourismus“. Die Lizum ist ein europäischer Sonderfall, zugleich ein Modell für ein Miteinander verschiedener Interessensgruppen, militärische wie zivile Nutzer.

Seit 600 Jahren wird hier Alm-, Forst- und Landwirtschaft betrieben. Alpintourismus und Naherholung (völkerverbindendes Bergwandern; Klettern, Skitour) sind seit 125 Jahren heimisch.

Von 1938 bis 1945 hat die Deutsche Wehrmacht die Lizum für nationalsozialistische Zwecke beschlagnahmt. Seit 1955 ist die Lizum ein Übungsplatz des Bundesheeres.

Kern- und Herzstück dieses gedeihlichen Miteinanders bildet der „Übergabe Staatsvertrag von 1955“. Auf Betreiben der Bevölkerung wurde dieser von der Bundesregierung unter Kanzler Julius Raab mit allen Nutzern abgeschlossen. Er war auch ein Zeichen des Ausgleichs für die durch Zwangsverkäufe faktisch enteigneten Almen und das Alpenvereinshaus. Der Vertrag regelt modellhaft das Zusammenleben zwischen Bundesheer und allen zivilen Nutzern, um Weiterbestand und weiteres Bewirtschaften zu gewährleisten.

Der Vertrag bewährt sich seit 65 Jahren, sofern sich alle Beteiligten an die Vereinbarung halten. Durch die erschreckende Anfrage über „Bombenattrappen-Abwürfe über der Lizum“ und den „Letter of Intent“ über Nutzungsverschiebungen hin zur deutschen Bundeswehr ist die latent heikle causa Lizum top aktuell. Aspekte ziviler Nutzung kommen in der öffentlichen Diskussion kaum vor. 

 

Um die Interessen der heimischen Bevölkerung von Wattenberg, Wattens und der Region präsent zu halten, kümmert sich seit fünf Jahren die bürgerliche Interessensgruppe LEWAL, der Verein „Lebenswertes Wattental“. Man ist um gute Gesprächsbasis aller Nutzer mit dem Bundesheer bemüht. Bei einem öffentlichen Info-Abend erinnerte der Verein an den 1955er Grundvertrag, der sich nicht einseitig verändern dürfe. LEWAL schärft, in Abstimmung mit Bevölkerung, Almbauern und anderen Nutzern, die Eckpunkte für die Zukunft.

Land- und Almwirtschaft müssen sich nachhaltig entwickeln können. Die nötige Infrastruktur muss durch faire Pachtverträge abgesichert werden. In der Haupt- Alm-, Wander- und Skitourensaison sind die schießfreien Zeiten einzuhalten, die Begehbarkeit der Wege ist im Sinne der Alpenkonvention zu gewährleisten. Lizum- und Mölstal müssen Naherholungsgebiete bleiben. Es darf keine weitere langfristige Bindung an ausländische Truppen geben, weder durch Verkauf, noch durch Vermietung/Verpachtung. Das Neutralitätsgesetz ist strikt einzuhalten. 

Nur diese Verzahnung lokaler Lebensart, gepflegter Kulturlandschaft und einem Zusammenwirken aller Nutzer bildet die Grundlage für eine positive Entwicklung des Wattentals, der Lizum und ihrer Almgebiete."

www.alpenverein.at/tirol

 

Gerald Aichner

Alpenverein Landesverband Tirol Vorsitzender, LEWAL-Mitglied

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Lizum: Sanfter Tourismus

Lizum im Wattental gegen Pluderig und Junsjoch  Foto ai©
Lizum im Wattental gegen Pluderig und Junsjoch Foto ai©

Beitrag für HALLER BLATT
Die „Lizum im Wattental“ (korrekt - „Wattener Lizum“ ist der Begriff aus der Nazizeit) hat neben der militärischen eine sehr lebendige, starke zivile Seite: 
Die Lizum steht für 100-prozentig naturnahe Land-, Forst-, Almwirtschaft mit Käsereien und für 100-prozentig naturvertäglichen „sanften Tourismus“, seit 130 Jahren ganzjährigen Bergwander- und Skitour-ismus. Die Lizum ist Tirols zweitgrößtes Almgebiet. 

 

Das Thema „Lizum“ ist nicht erst seit der verstörenden wie aufschreckenden Meldung über „Betonbomben-Abwürfe über der Lizum“ laut geworden, genährt von Besuchen hoher deutscher Militärs, sondern schon lange latent vorhanden, sensibel wie heikel. Zwei wichtige Aspekte der Nutzung der Lizum sind bisher untergegangen. Nicht nur das Bundesheer ist seit 1955 „Nutzer“ der Lizum, sondern Alm-, Forst- und Landwirtschaft seit 600 Jahren, Tourismus- und Freizeitsport seit 130 Jahren. (Bergwandern, Klettern, Schifahrten, Naherholung).

 

Als Folge des 1938 durch das Nazi-Regime erzwungenen Verkaufs (einer faktischen Enteignung) der Almen und des AV-Hauses und der Nichtrückgabe durch die Republik Österreich an die ursprünglichen Eigentümer Bauern und Alpenverein, wurde 1955 unter ÖVP Bundeskanzler Julius Raab ein politisch motivierter „Übergabe-Staatsvertrag“ mit den Nutzern abgeschlossen. Dieser regelt, so wars gewollt, das Zusammenleben aller Nutzer der Lizum, Bundesheer, Almbauern, Alpenverein, Tourismus, Forst, Jagd, Agrar, Gemeinde Wattenberg, mit klar definierten Vereinbarungen wie Schießzeiten, Schussbahnen, schießfreie Zeiten, Begehbarkeit, Entwicklungsmöglilchkeit, Bestand des Alpenvereinshütte Lizum. Abgeschlossen auch, um den nunmehrigen Pächtern bzw. Mieter die weitere Tätigkeit zu sichern und durch faire Pacht- bzw. Mietverträge (als „Berücksichtung des Schadens durch die Enteignung“) finanziell zu ermöglichen. Im Großen und Ganzen hat sich dieser Vertrag bewährt, sofern sich alle Seiten auf das Gemeinsame verstehen und im Rahmen der Vereinbarungen handeln.

Daher hat der Verein „Lebenswertes Wattental LEWAL“ in seiner aktuellen Positionierung vom 24.1.2020 auf Basis des „Übergabevertrags 1955“ u.a. auch festgehalten:

  •  Ermöglichung einer nachhaltigen Entwicklung in der Landwirtschaft. Die Grundlage für ein wirtschaftliches Überleben und die Erhaltung der dazu nötigen Infrastruktur müssen abgesichert werden. Faire Pachtverträge bilden die Grundlage dafür.
  • Schießfreie Zeiten in der Haupt- Alm-, Wander- und Skitourensaison sowie die freie Begehung der Wanderwege, wie in der Alpenkonvention vom Staat Österreich zugesagt.
  • Nutzung von Lizum- und Mölstal als Naherholungsgebiet für Einheimische muss erhalten bleiben.
  •  Keine weitere Zerstörung der Natur
  • Kein Verkauf, Vermietung, Verpachtung oder sonstige langfristige Bindungen an ausländische Truppen oder Interessengemeinschaften. Nutzung für die Ausbildung des österr. Bundesheeres.
  •  Unumstößliche Einhaltung des Neutralitätsgesetzes.

     Die Verzahnung von lokaler Lebensart, gepflegter Kulturlandschaft und einem Zusammenwirken der Nutzer bilden die Grundlage für positive Entwicklung der Almgebiete im Wattental. ai©